28.11.09

Die erste Hallig-Woche


Am Freitag habe ich dann mal wieder morgens gearbeitet, da das Büro im Winter freitags sowieso nur bis 15 Uhr geöffnet hat.Das Wetter war an diesem Morgen geradezu gut. Ich wurde nicht nass und verzichtete sogar darauf, meine Mütze aufzusetzen. Außerdem waren direkt noch ein paar mehr Menschen unterwegs.
Im Büro arbeitete ich an meinen Sachen weiter. Um 15 Uhr war Feierabend - so früh wie selten in meinem Arbeitsleben. Weil das Wetter am Wochenende wieder schlechter werden sollte, hatte ein Kollege mir geraten, mich sicherheitshalber mit genügend Lebensmitteln zu versorgen. Weil es derzeit draußen immer noch schön war, und der Halligkaufmann noch bis 16 Uhr geschlossen hatte, nutzte ich die Gelegenheit für einen Sparziergang. Ich lief zur Backenswarft, um dort bei Karen Tiemann im Café "Zum blauen Presel" einzukehren. Als "Pesel" wird übrigens traditionell die "Gute Stube" eines Friesenhauses bezeichnet, die früher nur bei besonderen Gelegenheiten genutzt wurde. Daneben verfügten die Häuser stets auch noch über einen Aufenthaltsraum "für jeden Tag", Döns genannt.
Karins Café besteht tatsächlich nur aus einem ehemaligen Wohnraum mit niedriger Balkendecke und kleinen Fenstern. Darin haben fünf Tische Platz und an der Wand hängen unterschiedliche Aquarelle, Öl-und Intasienbilder sowie Fotos und Delfter Kacheln. Ebenso wie der Raum ist auch Karins Karte typisch für diese Gegend: Neben Phariäer (Kaffee mit Rum und Sahne) und Toter Tante (Schokolade mit Rum und Sahne) bietet sie unter anderem auch selbst gemachten Kuchen und Suppen und andere Kleinigkeiten an. Ich testete eine Schokolade und den Mohn-Kirsch-Kuchen, den ich sehr empfehlen kann. Am Nachbartisch wurde noch eine Runde Phariäser bestellt. Bevor ich gehe plauderte ich noch kurz mit meiner Gastgeberin. Von ihr erfuhr ich, dass die Pellwormer früher taditionell Bauern waren, und die Hooger ursprünglich meist Seeleute.
Da es inzwischen schon halb fünf war, machte ich mich wieder auf den Weg. Der Sonnenuntergang war wieder einmal grandios. Und mit dem Einbruch der Dunkelheit kam ich auf Hanswarft an. Bei Renate kaufte ich noch ein paar Kleinigkeiten ein und lief dann nach Hause.

Hier gehts zurm Homepage des "Blauen Pesel".


Am Donnerstag wollte ich ursprünglich eine Führung zum Thema "Meer und Treibgut" mitmachen, doch das Wetter und eine Blase am Hacken hielten mich letztendlich davon ab. Gegen Mittag als ich mich auf den Weg ins Tourismusbüro machte, war es besser. Ich kam trockenen Fußes dort an. Im Laufe des nachmittags schauten unter anderem die Außerarbeiter und der Bürgermeister vorbei, während ich im Netz recherchierte. Um Fünf besuchte ich dann mal wieder den Halligkaufmann, der eigentlich eine Halligkauffrau ist. Denn den Tante-Emma-Laden von Hooge betreibt Renate Kuhnke. Sie ist inzwischen seit drei Jahren auf der Hallig, kann in Sachen Inselkaufmann allerdings auf eine längere Berufserfahrung zurück schauen. Denn sie betrieb früher lange Jahre auf Rügen einn ähnlichen Laden. Dort sei das Geschäft allerdings noch viel saisonabhängiger gewesen als auf Hooge, erklärt sie mir. Denn die Touristen kommen dort meist nur in den drei Sommermonaten. Auf der Hallig dauert die Saison von Ostern bis Ende Oktober. Und auch in den Wintermonaten kommen immer noch Gäste hier her. Dann können sie bei Renate nicht nur Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, sondern auch ein paar Souveniers. Diese sind bei ihr meist essbar. Zum Sortiment zählen neben Wurstwaren wie Krabbenleberwurst auch Honig und Sanddornlikör von der Hallig sowie Tee-Rum und Kandis. Wer mehr wissen möchte, klickt hier.


Der Mittwoch verlief ganz entspannt. Da meine Kollegen mit anderen Hallig-Bewohnern an einem Seminar teilnahmen, war ich den ganzen Tag im Büro und hatte dort auch Telefondienst. Es riefen unter anderem mehrere Hand-gegen-Koje-Interessenten an, die natürlich sehr neugierig waren, was ich hier bislang gemacht und erlebt habe. Ebenfalls unter den Anrufern war eine Vorgängerin von mir, die nun zum Biike-Fest im Februar als Gast wieder auf die Hallig kommen möchte.Das Biikebrennen ist nordfriesischer Brauch zu Ehren Wotans, dem Göttervater und Wind- und Sturmgott. Das Wort "Biike" oder "Biake" bedeutet altfriesisch "Leuchtfeuer" und verweist auf den Zusammenhang zwischen Opferfest und Seefahrt: Während des Mittelalters befuhren die nordfriesischen Seeleute als Fischer die Nordsee, die man nach Ihnen auch das friesische Meer nannte. Aber als die großen Heringsschwärme bei Holland immer seltener wurden und um 1600 ganz ausblieben, verarmten die Seeleute und litten oft bittere Not. Dann begann eine neue Ära: Die Zeit des Walfangs (ungefähr von 1600 bis 1850). Damals waren auch die meisten Hooger Seefahrer. Ende Februar oder Anfang März fuhren die Seeleute mit ihren ca. 100-Mann starken Schiffen in die großen Hafenstädte.Von dort aus ging es dann weiter ins Nordmeer zum Walfang.
Die Abfahrt fiel ungefähr mit den Biiken zusammen, und so bekam der alte Brauch als Abschiedsfeier einen neuen tiefen Sinn. Gleichzeitig wurde er zum Ausdruck engster Zusammengehörigkeit. Das Herüberleuchten von einem Eiland zum anderen war für die Föhrer, Sylter, Amrumer und die Halligbewohner ein sichtbares Zeichen der schicksalhaften Verbundenheit aller seefahrender Uthlandefriesen.

Mehr zum Thema Biike gibt es unter anderem hier.


Am Dienstag Vormittag habe ich erst einmal zu Hause gearbeitet und unter anderem meinen "Stadtblatt Live"-Artikel über Restaurants in Osnabrück geschrieben. Gegen Mittag ging es dann ins Touristmusbüro. Dort hatten meine Kollegen eine neue, kurzfristige Aufgabe für mich, und die Zeit verging ratzfaz. Um fünf machte ich mich dann mit meiner Taschenlampe auf dem Heimweg. An der Schulwarft angekommen, hatte ich noch eine Verabredung mit Lehrer Uwe Jessel. Er ist mein Nachbar, Lehrer der Hallig-Schule und leitet die Hallig-Bibliothek. Als ich die Schule betrete, werde ich von klassischer Musik empfangen. Bald kommt Uwe Jessel. Bei einem Becher Tee - was sonst - halten wir einen kleinen Klönschnack. Ich bin neugierig. Er zeigt mir die Schule und erzählt vom Schulalltag auf der Hallig. Der Klassenraum besteht aus mehreren Bereichen und ist mit Arbeitsergebnissen liebevoll ausgeschmückt. Es gibt auch eine Computerecke, und im ersten Stock befindet sich die kleine Schulturnhalle. Alle Schulkinder haben den gleichen Stundenplan. Die einzelnen Klassen bestehen zur Zeit aus ein bis zwei Kindern, die jeweils ihre eigenen Aufgaben/Themen bearbeiten. Aufgrund der kleinen Klassengröße erhält jede/r Schüler/in einen sehr individullen Unterreicht, der auch Raum für spielerisches Lernen und praktische Beispiele lässt. Da ich definitiv zu wenig Lesestoff mit auf die Hallig genommen habe, erkundige ich mich wie die Ausleihe der Bibliothek funktioniert: Die Bücherei ist im Eingangsbereich der Schule untergebracht. Jessel zeigt mir, wo ich was finde. Ich entscheide mich nach einigem Stöbern für drei Bücher. "Eigentlich ist die Bibiliothek immer donnerstags geöffnet, aber da du hier wohnst, kannst du auch gerne zwischendurch kommen", so Jessel. Super. Darauf komme ich im Zweifelsfall zurück. Nach dem zweiten Becher Tee mache ich mich auf den Weg in meine Wohnung und lese gleich mal das erste Buch in einem Rutsch durch.

Wer mehr über die Hallig Schule wissen möchte: Hier gibt es weitere Infos und Fotos.


Am Montag war leider so richtiges Schietwetter. Es windete ziemlich stark und goss wie aus Kübeln. Da sich meine Regenhose vor einiger Zeit verabschiedet hatte, und ich mir für die Hallig dann doch keine neue gekauft hatte, packte ich morgens eine zweite Hose in meinen Rucksack. Denn es war klar, dass ich total durchnässt auf
Hanswarft ankommen würde. Kurz bevor ich los marschierte hatte ich dann noch eine Idee: Ich funktionierte einen großen Müllsack in eine "Schürze" um, die ich mir umband. Doch letztendlich kam ich nicht nur mit nasser Hose, sondern auch nassen Füßen im Touristenbüro an. Denn das Wasser war an der "Regenschürze" herunter und von oben in meine Stiefel gelaufen. An meinem neuen Arbeitsplatz wurde ich sehr freundlich von meinen Kollegen empfangen. Sie hatten sogar versucht mich anzurufen, um mir zu sagen, dass ich bei dem Wetter nicht kommen müsste. Doch da war ich schon unterwegs und hatte das Handy nicht gehört. Ich zog mich erst einmal um und hing meine nassen Sachen zum Trocknen auf. Dann gaben mir Erco und Hartmut eine kleine Einführung in meine künftigen Aufgaben. Zwischendurch nutzte ich die Gelegenheit noch schnell bei Halligkaufmann ein paar Sachen zu kaufen. Denn der hat im Winter nur zwischen 8 und 11 sowie 16 und 18 Uhr auf. Auf dem Weg zurück regnete es dann wieder, aber nicht so stark wie morgens. Dennoch musste ich meine Klamotten ein zweites Mal an diesem Tag zum Trocknen über die Heizung hängen.


Samstag habe ich nicht mehr viel gemacht - außer mein erstes Buch zu Ende zu lesen. Am Sonntag war das Wetter besser als bei meiner Ankunft, so dass ich die Gelegenheit nutzte und einen Sparziergang machte. Ich lief von "meiner" Warft, der Ockelütz-, bzw. Schulwarft los, passierte die Mitteltrittwarft, ging querfeldein zum Nordseite der Hallig (auf dem Foto unten links) und dann den Deich am Wasser entlang. Es folgte ein Abstecher zum Seglerhafen und der Kirchenwarft. Mein Fußweg traf dann ungefähr auf der Mitte zwischen der Backenswarft (Fähranleger) und der Hanswarft wieder auf die Straße. Da es schon dunkel wurde bog ich rechts Richtung Hanswarft ab und schaute, als ich dort vorbei kam, auf die Uhr. Denn ich wollte wissen, wie lange ich zu Fuß zu Arbeit in dem Tourismusbüro auf Hanswarft brauchen würde. Das Ergebnis: Rund 10 Minuten. Der Pfeil im Foto oben weist übrigens auf mein Küchenfenster. Dort steht mit perfektem Blick aufs Meer der KÜchentisch mit meinem Laptop.



Fotos: Hallig-Luftbild Touristinforamtionen Hallig Hoge, alle anderen Claudia Sarrazin
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3 Kommentare:

  1. "Als "Pesel" wird übrigens traditionell die "Gute Stube" eines Friesenhauses bezeichnet, die früher nur bei besonderen Gelegenheiten genutzt wurde. Daneben verfügten die Häuser stets auch noch über einen Aufenthaltsraum "für jeden Tag", Döns genannt."

    Das System kenn' ich auch aus dem nördlichen LK Osnabrück und aus Oldenburg, nur unter anderen Namen: "beste" Stube und Wohnzimmer.

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  2. Wow, was für ein toller Bericht mit super schönen Fotos ! Das hat mir richtig Spaß gemacht, mir alles durchzulesen und mir die dazugehörigen Bilder anzuschauen !
    Vielen Dank :o)

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  3. Thomas aus Berlin bedauert: Ich komm' ja niemals nich' aus der Stadt 'raus. Bin begeistert von der enthusiastischen Art, mit welcher Sie die Gegend wahrnehmen, aufnehmen. Keine Ahnung, ob es viele Menschen gibt oder nur wenige, die einen neuen, zeitweisen Lebensraum so offen und engagiert "inhalieren", wie es Ihnen geglückt ist. Da ist irgendwas seelenvolles in Ihrer Art, etwas zugewandtes - ich freue mich mit Ihnen auf jeden Ort, den Sie entdecken, erkunden und liebhaben dürfen.

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