Das Werkbundarchiv packt seine Schätze aus. Der Grund: Der 100. Geburtstag von Herbert Hirche(20.5.1910 - 28.1.2002). Zu sehen sind unter anderem Zeichnungen, Skizzen, Pläne, Briefe und Fotos des Werkbund-Gestalters, der als Architekt, Möbel- und Produktdesigner tätig war.
Zum ersten Mal werden - neben einer Auswahl seiner Möbel - auch Hirches Studienarbeiten aus dem Unterricht bei Kandinsky und Mies van der Rohe am Bauhaus zu sehen sein, ebenso frühe Möbelentwürfe aus den 1940er und 1950er Jahren und nicht ausgeführte Varianten des legendären Fernsehgeräts HF 1 für die Firma Braun. Herbert Hirche war einer der Pioniere des neuen Braun-Designs, mit deren Entwürfen die Firma Braun international Erfolgsgeschichte schrieb.
Wie die Braun-Apparate "stille Helfer und Diener" (Erwin Braun) sein sollten, so wollte Hirche mit seinen schlichten Möbeln und Bauten dem Menschen selbst größtmögliche Freiräume bieten. Der Ausstellungstitel "strahlend grau" ist in diesem Sinne als eine Metapher zu verstehen für die Sachlichkeit und Neutralität der Entwürfe Hirches und zugleich für deren diskrete Eleganz. "Lasst uns maßhalten!" war das Motto eines Musterkoffers mit 45 Grau-Proben, der dem verehrten Lehrer Herbert Hirche zum 52. Geburtstag von seinen Studenten überreicht wurde - mit augenzwinkernder Ironie kommentierten sie Hirches Haltung der Zurückhaltung und seine Vorliebe für die Farbe Grau.
Hirche war für viele dem Werkbund verbundene Firmen tätig, darunter Wilkhahn, Holzäpfel, Walter Knoll und Wilde+Spieth. Er war Hochschullehrer in Berlin und Stuttgart, Mitglied des Rats für Formgebung und - als Ratgeber und Mentor - die "graue Eminenz" des jungen Verbands Deutscher Industriedesigner. Auf der Internationalen Bauausstellung 1957 in Berlin, auf den Mailänder Triennalen, der Weltausstellung in Brüssel 1958 und der Documenta 1964 wurden Hirches Arbeiten als Musterbeispiele einer vom Werkbund propagierten neuen (west)deutschen Produktkultur ausgestellt. Die junge Demokratie entsandte die Dinge als Botschafter eines besseren Deutschlands ins Ausland. Arbeiten eines Entwerfers wie Herbert Hirche waren aufgrund seiner Biografie in idealer Weise geeignet, an die moderne, moralisch unbelastete Tradition der Vorkriegszeit anzuknüpfen, die Geschichte zwischen 1933 und 1945 zu negieren und das utopische Potenzial in der Aufbruchsstimmung jener Jahre wahrzunehmen.
In der Ausstellung "strahlend grau" werden die historischen Entwürfe mit aktuellen materiellen Aneignungen konfrontiert: Lange nahezu in Vergessenheit geraten, werden Hirches Möbel, die teilweise über ein Prototypstadium nie hinausgekommen waren, heute in Serie produziert und als "Klassiker" vermarktet. Auf der diesjährigen Möbelmesse erhielt die Wiederauflage eines Sessels, den Hirche 1957 für die Interbau entwickelt hatte, den "Classical Innovation"-Preis. Retro-Trend, Re-Edition und Re-Design: Der Markt erfindet den "modernen Klassiker", das Gebrauchsmöbel der 1950er Jahre mutiert zur "Design-Ikone". Mit der Ausstellung soll auch die Frage diskutiert werden, wie, wo und durch wen bestimmt wird, wer und was ins kollektive Gedächtnis aufgenommen wird.
"strahlend grau - herbert hirche zum 100. geburtstag" markiert den Auftakt zu einer geplanten Ausstellungsreihe, die das im Werkbundarchiv - Museum der Dinge bewahrte Erbe in den Blick nehmen will.
Eröffnung am 20. Mai 2010 um 19 Uhr
Ausstellungsdauer 21. Mai bis 13. September 2010
Zum Abschluss der Ausstellung "strahlend grau" wird eine Tagung zum Thema "Individuelles Erbe und kollektive Bedeutung" (Arbeitstitel) stattfinden.
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