26.5.10

Less and More – das Design Ethos von Dieter Rams


Im Museum für Angewandt Kunst in Frankfurt steht noch bis zum 5. September 2010 der Gestalter Dieter Rams im Mittelpunkt einer Ausstellung. Rams war vier Jahrzehnte lang – von 1955 bis 1995 – für das 1921 in Frankfurt gegründete Unternehmen Braun als Gestalter tätig. Seit 1961 war er dort Chefdesigner und Leiter eines großen Gestaltungsteams, das neue Maßstäbe zur Produktgestaltung setzte und weltweit größte Anerkennung fand. „Braun Design“ wurde zu einer Gestaltungshaltung, die das „Projekt Moderne“ weiterentwickelte und bis heute junge Gestalter inspiriert und motiviert. Dabei war Rams neben seiner Tätigkeit für Braun seit 1957 auch als Möbelgestalter aktiv. So verkauft das 1959 gründete Unternehmen „Vitsoe“ bis heute ausschließlich seine Entwürfe. Besonders bekannt sind das vielfach ausgezeichnete Regalssystem „606“ und der Sessel „620“. Das Sitzmöbel steht nicht nur im Berliner Bundeskanzleramt, sondern auch in vielen Wohnzimmern und Büros auf der ganzen Welt.


Einen wichtigen Schwerpunkt der Frankfurter Ausstellung bildet sowohl der historische als auch der gestalterische Kontext zu Dieter Rams. Gezeigt werden die wesentlichen Positionen einer sowohl ästhetischen wie gleichzeitig funktionalen Gestaltung des 20. Jahrhunderts: Von Peter Behrens über den Russischen Konstruktivismus und De Stijl, den Werkbund, die Stahlrohrmöbel und die großen Ausstellungen der Zwanziger Jahre bis hin zu Positionen der Nachkriegszeit. So werden auch Arbeiten der HfG Ulm, von Hans Gugelot und Peter Raacke oder von Richard Sapper gezeigt.


Schließlich versucht die Ausstellung aber auch einen Ausblick auf die Gegenwart und die mögliche Zukunft der Produktgestaltung zu geben. Das Ausstellungsprojekt beleuchtet daher nicht nur umfangreich die Welt von Dieter Rams, sondern widmet sich intentional auch der Zukunft unserer Produktwelten. Dabei werden bisher noch nicht gezeigte Modelle und Entwürfe von Dieter Rams und seinem Team vorgestellt werden, um den Entwurfsprozess und die spezifische Designmethodologie zu rekonstruieren. Und auch das Corporate Design, die Werbe- und Printmedien von Braun und Vitsoe werden dargestellt. Dabei können die Besucher auch den Künstler und Werbegrafiker Wolfgang Schmidt wieder entdecken, der ein poetisches und gleichzeitig sachlich-funktionales Erscheinungsbild und Kommunikationsmodell für Vitsoe entwickelte.


Produktgestalter stehen immer wieder vor der Frage: Ist Weniger Mehr? Dabei geht es um mehr als um Begrifflichkeiten wie Minimalismus, Ästhetisierung oder eindimensionale Funktionalität. Dieter Rams hat Gestaltung immer umfassend gedacht und praktiziert. Seine 10 Thesen zu einem guten Design aus dem Jahr 1985 fordern sowohl Nützlichkeit, Verständlichkeit, Ehrlichkeit und Unaufdringlichkeit als auch eine hohe innovative und ästhetische Qualität, eine konsequente Detailgestaltung und nicht zuletzt Langlebigkeit und Umweltverträglichkeit. Und schließlich vertrat Rams die Auffassung: Gutes Design sei so wenig Design wie möglich.


Das Design bestimmt das Bewusstsein und das Bewusstsein bestimmt das Design. Design ist auf jeden Fall mehr als nur Dekoration des Lebens. Es ist auch nicht vornehmlich ein Instrument des Marketings, sondern es behandelt ganz grundsätzlich die Frage, wie wir leben können, und wie wir es wollen. In einem schier unübersehbaren Überfluss an Produkten in den reichen Ländern dieser Welt stellt sich dabei auch die Frage neu und durchaus grundsätzlich, welche Produkte wir zukünftig benötigen und wie sie dabei beschaffen sein sollten. Neben einem quantitativen Konsum könnte in der Zukunft zunehmend ein qualitativer Konsum von Produkten eine Rolle spielen: Setzen wir dann also auf Produkte, die länger halten?! Die amerikanische Firma Apple oder die japanische Kaufhauskette Muji versuchen das vorzumachen. Dabei beziehen sich sowohl der Chefdesigner von Apple, Jonathan Ive, also auch der britische Gestalter Jasper Morrison oder Naoto Fukasawa immer wieder auf das Unternehmen Braun und den Gestalter Dieter Rams.


Dies Designer entwickelten seit Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eben jene zivile Haltung zu den Alltagsgegenständen, die sowohl eine kalte Industrieästhetik als auch jede Form von Dekoration überwunden hat. Ihr Ziel: Die Produkte sollten ebenso gebrauchbar wie auch ästhetisch anspruchsvoll und möglichst einfach in der Handhabung sein. Gibt es also ein „gutes Design“, das nicht dogmatisch oder schematisch ist? Die Ausstellung „Less and More. Das Design Ethos von Dieter Rams“ geht dieser Fragestellung nach. Dazu wird in Frankfurt ein begleitendes Vortragsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum stattfinden, bei dem sowohl Praktiker als auch Theoretiker zu Wort kommen werden: Designer, Auftraggeber, Designjournalisten und -kritiker, Architekten, Kulturwissenschaftler und Ökonomen werden sowohl über die heutige Bedeutung einer funktionsorientierten und langlebigen Gestaltung als auch über unsere zukünftigen Produktwelten vortragen und diskutieren.



Bildmaterial: Koichi Okuwaki / Less and more. Das Design Ethos von Dieter Rams / Museum für Angewandte Kunst Frankfurt
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